Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) wurde errichtet, um in Mittel- und Osteuropa nach dem Ende des Kalten Krieges beim Aufbruch in eine neue Epoche zu helfen. Seither macht sie Geschichte und hat sich mit Investitionen in Höhe von mehr als 180 Milliarden Euro in mehr als 6.800 Projekte bei der Förderung des Wandels in der Region (und über ihre Grenzen hinaus) beispiellose Fachkompetenz erworben.
Bekenntnis zu Markt und unternehmerischer Initiative
Die EBWE setzt sich für den Übergang zur Marktwirtschaft und die Förderung von privater und unternehmerischer Initiative ein. Dies ist ihr Leitgedanke seit ihrer Gründung Anfang der 1990er Jahre und bleibt bei allen neuen Herausforderungen, und wenn weitere Mitgliedsländer in die EBWE aufgenommen werden, auch in den kommenden Jahren ihr Auftrag.
Ein Wendepunkt in der Geschichte Europas
Die EBWE wurde eilends gegründet, um der Herausforderung zu begegnen, die ein prägender Moment der Geschichte Europas mit sich brachte: der Kollaps des Kommunismus im Osten. Tatsächlich verstrichen nur 18 Monate vom ersten Keim der Idee einer europäischen Entwicklungsbank, vom französischen Präsident François Mitterrand im Oktober 1989 in den Raum gestellt, und ihrer Eröffnung am Sitz in London im April 1991.
Ein Sinn für Dringlichkeit und die Fähigkeit, auf folgenschwere Ereignisse schnell und entschlossen zu reagieren, gehörten von Anfang an zu den Wesensmerkmalen der EBWE, seien es das Ende der Sowjetunion, Finanzkrisen, der arabische Aufstand, die Coronavirus-Pandemie oder der Krieg gegen die Ukraine.
In den turbulenten ersten Jahren der 1990er hat sich das besondere Augenmerk der EBWE auf die Privatwirtschaft als wesentliche Triebfeder für den Wandel in Mittel- und Osteuropa immer wieder als richtig erwiesen. In dieser Zeit machte sich die EBWE einen Namen als Kapazität für den Übergang zur offenen Marktwirtschaft.
Sie war maßgeblich engagiert in Bereichen wie der Reform des Bankwesens, der Preisliberalisierung, der Privatisierung (Legalisierung und Politikdialog) sowie der Schaffung geeigneter Rechtsrahmen für Eigentumsrechte, alles wichtige Voraussetzungen für den Wandel.
In diesen Zeitraum fielen auch die ersten Maßnahmen, mit denen die EBWE zu Sicherung und Umbau der Stätte der Katastrophe von Tschernobyl in der Ukraine beitrug und ihr Engagement für die nukleare Sicherheit auch an anderen Orten.
Erweiterung der Einsatzregionen der EBWE
Reformen wurden durch fundierte Beratung, Ausbildung und technische Kompetenz gestützt und ergänzt durch Großinvestitionen in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Sektor. Da das inländische Kapital allein nicht zur Finanzierung der Transformation ausreichte, unterstützte die EBWE die Mobilisierung von externem Kapital, das gleichermaßen öffentlichen und privaten Quellen entstammte.
Aus diesen Erfahrungen konnte die EBWE bei der Ausweitung ihrer ursprünglichen Einsatzregion - was bereits viermal geschehen ist - auf neue Länder schöpfen, so etwa auf die Mongolei (2006), die Türkei (2009), Ägypten, Jordanien, Marokko, Tunesien und Kosovo (2012), Zypern (2014), Griechenland (2015) und den Libanon (2017).
Heute ist sie in mehr als 35 Ländern von Mitteleuropa bis Zentralasien und dem südlichen und östlichen Mittelmeerraum sowie im Westjordanland und im Gazastreifen tätig.
Auf unserer Jahrestagung 2023 genehmigten die Gouverneurinnen und Gouverneure Änderungen der Satzung der Bank, damit eine begrenzte und schrittweise Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit auf Subsahara-Afrika und den Irak möglich wird. Zwischen 2025 und 2030 wird die EBWE in bis zu sechs Ländern in Subsahara-Afrika investieren können.
Tschechien konnte als einziges Mitglied nach seiner Graduierung 2007 auf die Unterstützung der EBWE verzichten. Doch nachdem die Regierung 2021 Hilfe bei der Erholung von der Coronavirus-Pandemie beantragt hatte, erklärte sich die Bank bereit, ihre Investitionstätigkeit im Land für begrenzte Dauer wieder aufzunehmen.
Das Wissen der EBWE darum, wie Marktwirtschaften funktionieren, und die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Finanzinstitutionen erlaubten es ihr zudem, nach dem Schock der Finanzkrise 2008 eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung ihrer Regionen und der Planung für die Wiederherstellung zu spielen.
Auf diese Krise reagierte die Bank auch mit der erheblichen und zügigen Ausweitung ihres Tätigkeitsvolumens. Diese Erweiterung setzte sich im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts ungeachtet eines neuen operativen Ansatzes für Russland fort, vormals nach Geschäftsvolumen das größte Land der EBWE, wo die Bank unter Anleitung der Mehrheit ihrer Direktorinnen und Direktoren keine Neugeschäfte mehr aufnahm. Im Jahr 2022, kurz nach Russlands Einmarsch in die Ukraine, stimmten die Gouverneurinnen und Gouverneure der Bank dafür, den Zugang Russlands und von Belarus zu den Ressourcen der Bank auszusetzen.
Ende 2023 verabschiedeten unsere Gouverneurinnen und Gouverneure eine Resolution zur Erhöhung des eingezahlten Kapitals der Bank um 4 Milliarden Euro, womit ihre Kapitalbasis nun bei 34 Milliarden Euro steht. Es handelte sich um die dritte solche Aufstockung in unserer Geschichte (die beiden anderen fanden 1996 und 2010 statt).
Mit dem zusätzlichen Kapital der Anteilseigner sollen sowohl in Kriegszeiten als auch im Wiederaufbau maßgebliche und nachhaltige Investitionen für die Realwirtschaft der Ukraine bereitgestellt werden. Außerdem ist es zur Unterstützung unserer sonstigen Prioritäten in allen Volkswirtschaften, in denen wir tätig sind, gedacht. Die EBWE hat ihren Einsatz für die Ukraine nach der russischen Invasion des Landes im Februar 2022 deutlich gesteigert.
Die Bank engagiert sich so entschlossen wie eh und je für die Erfüllung ihres ursprünglichen Mandats, doch hat sie im Lichte der jüngsten Geschichte tiefere Aufschlüsse über die wahre Herausforderung eines Übergangs zur Marktwirtschaft gewonnen.
So verwenden wir etwa seit Anfang 2017 ein neues Transformationskonzept, nach dem eine gut funktionierende Marktwirtschaft nicht nur als wettbewerbsfähig definiert ist, sondern auch inklusiv, gut geführt, grün, widerstandsfähig und integriert ein soll.
Nach fast 30-jährigem Bestehen sind wir mehr denn je davon überzeugt, dass man mit der Projektfinanzierung allein nicht die Veränderungen anschieben kann, die unsere Länder brauchen. Sie benötigen Hilfe bei politischen Reformen und bei der Schaffung eines förderlichen Investitionsklimas.
Das unverwechselbare Mandat der EBWE
Als einzige Entwicklungsbank verfügt die EBWE über ein politisches Mandat, nach dessen Maßgabe sie nur diejenigen Länder unterstützt, „die sich zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie [und] des Pluralismus bekennen und diese anwenden.“
Der Schutz der Umwelt und das Engagement für nachhaltige Energie standen ebenfalls schon immer im Mittelpunkt der Tätigkeit der EBWE. Bei ihrer Gründung wurde sie explizit darauf verpflichtet, „eine ökologisch auch langfristig unbedenkliche Entwicklung zu fördern.“
In jüngerer Zeit wurde die Klimafinanzierung im Zuge unseres Konzepts der „Green Economy“-Transformation zum wichtigen Leistungsnachweis für die Bank. Inzwischen haben wir uns verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bis 2025 der Großteil unseres Geschäftsvolumens grün ist. Dieses Ziel war 2021 erstmals erreicht, als Umweltfinanzierungen 51 Prozent unseres jährlichen Geschäftsvolumens ausmachten. Anlässlich unserer Jahrestagung 2021 billigten die Gouverneurinnen und Gouverneure auch unsere vollständige Angleichung an das Übereinkommen von Paris bis Ende 2022, und wir planen, bis 2025 eine mehrheitlich grüne Bank zu sein.
Die Coronavirus-Pandemie 2020 war eine große Herausforderung für die Länder, in denen die EBWE tätig ist, für sämtliche Anteilseigner und die Bank selbst. Im Angesicht dieser Situation widmete die EBWE ihre gesamte Tätigkeit in den Jahren 2020 und 2021 der Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.
Die EBWE dient den Interessen aller ihrer Anteilseigner – 74 Länder auf fünf Kontinenten sowie die Europäische Union und die Europäische Investitionsbank - und nicht nur den Ländern, die Empfänger ihrer Investitionen sind (in Jahr 2022 ein Rekordwert von 13,1 Milliarden Euro). Dabei wächst die Zahl der EBWE-Anteilseigner weiter an: Neu hinzugekommen sind China, Indien, San Marino, Libyen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien und der Irak. Tatsächlich ist die EBWE eine von nur zwei großen multilateralen Entwicklungsbanken, die derzeit ihre Anteilseignerbasis erweitern.
Unabhängig von der Anzahl der Anteilseigner der Bank können wir alle nur von der engeren und tieferen Einbindung der Regionen der EBWE in die Weltwirtschaft und vom stetigen Fortschritt ihrer Volkswirtschaften auf ihrem Transformationsweg profitieren.
Ihr neuer Hauptsitz im Londoner Stadtteil Canary Wharf wurde im März 2023 von König Charles III. offiziell eröffnet. Von dieser neuen Adresse aus - und auf drei Kontinenten - leistet die Bank mehr denn je, um die Regionen, in denen sie tätig ist, bei ihrem Übergang zu unterstützen.